
Das Verwaltungsgericht Göttingen fällte am 19. Mai 2025 ein wichtiges Urteil zur Witwenrente bei Krebserkrankung und Berufsunfähigkeit
Das Verwaltungsgericht Göttingen fällte am 19. Mai 2025 ein wichtiges Urteil.
Ein Hinterbliebener kann Anspruch auf Witwenrente haben, auch wenn der Ehepartner schwer an Krebs erkrankt ist - sofern der Verstorbene bis zum Tod arbeitete. Entscheidend ist, ob tatsächlich eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung des Versorgungswerks vorliegt.
- Das Urteil des VG Göttingen stärkt die Rechte von Hinterbliebenen: Wer trotz Krankheit bis zum Tod arbeitet, sichert seinen Angehörigen die Witwenrente. Versorgungseheklauseln greifen dann
nicht. Immer entscheidend ist die tatsächliche Berufsausübung und die Definition der Berufsunfähigkeit in der Satzung des Versorgungswerks.
- Das Versorgungswerk meinte, der Arzt sei zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits berufsunfähig gewesen. Aufgrund seiner Krebserkrankung. Es zahlte nicht.
- Die Witwe klagte und bekam Recht.
<h2 id="berufsunfaehigkeit-nach-der-satzung-des-versorgungswerks">Berufsunfähigkeit nach der Satzung des Versorgungswerks</h2>
Das Gericht stellte klar: Berufsunfähigkeit liegt nach der Satzung des Versorgungswerks nur vor, wenn jemand tatsächlich nicht mehr arbeiten kann. Eine Berufsausübung ist ein Indiz dafür, dass keine Berufsunfähigkeit vorliegt - auch bei Krankheit.
Die Definition der Berufsunfähigkeit richtet sich ausschließlich nach der Satzung des Versorgungswerks - nicht nach anderen Gesetzen, wie dem Recht der Sozialversicherung oder dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG).
Das Kriterium der „Zumutbarkeit“, wie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, spielt keine Rolle, wenn die Satzung dies nicht vorsieht. Das Gericht fasst zusammen: Wer trotz Erkrankung bis zum Tod weiterarbeitet, gilt nicht als berufsunfähig im Sinne der meisten Satzungen. Die VE-Klausel greift nicht - die Witwe hat Anspruch auf Rente.
Tipp: Lesen Sie hier weiterführende wichtige Informationen zu den verschiedenen Definitionen der Berufsunfähigkeit.
Was bedeutet das für Betroffene, die nicht berufsunfähig sind? Mein Rat als Anwalt
- Prüfen Sie die Satzung genau. Die Definition von Berufsunfähigkeit kann von Versorgungswerk zu Versorgungswerk unterschiedlich sein. Prüfen Sie die Regelungen zu Berufsunfähigkeit und Rente
für Hinterbliebene in der Satzung. Lassen Sie sich hierbei von einem Anwalt helfen.
- Dokumentieren Sie Ihre Berufstätigkeit. Wer schwer erkrankt, sollte seine fortgesetzte Berufstätigkeit gut dokumentieren, zum Beispiel durch Gehaltsabrechnungen, Arbeitsverträge oder
Zeugnisse. Das ist ein Beweismittel im Streitfall.
- Holen Sie ärztliche Atteste ein. Lassen Sie sich von Ärzten bestätigen, dass Sie trotz Krankheit arbeitsfähig sind. Das hilft im Streitfall.
- Informieren Sie sich rechtzeitig. Wer schwer erkrankt und heiraten möchte, sollte sich frühzeitig über die Auswirkungen auf die Hinterbliebenenrente informieren. Auch hier kann ein spezialisierter Anwalt helfen.
Häufige Fragen
Was ist eine VE-Klausel?
Sie schließt die Rente für Hinterbliebene aus, wenn Sie die Ehe nach einem bestimmten Alter oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit schließen. Außerdem darf sie - zumindest in diesem Fall - nicht mindestens drei Jahre bestehen. Schauen Sie für die genaue Definition in die Satzung des Versorgungswerks.
Wie unterscheidet sich die Berufsunfähigkeit im Versorgungswerk von der privaten BU-Versicherung?
Im Versorgungswerk ist die Definition meist strenger: Es zählt nur die tatsächliche Unfähigkeit, den Beruf auszuüben. In der privaten Versicherung spielt auch die Zumutbarkeit eine Rolle, zum Beispiel, wenn die weitere berufliche Tätigkeit Raubbau an der Gesundheit darstellt.
Kann das Versorgungswerk die Witwenrente verweigern, wenn der Verstorbene trotz schwerer Krankheit gearbeitet hat?
Nein, wie das Urteil zeigt: Wer bis zum Tod arbeitet, gilt nicht als berufsunfähig - die Witwenrente wird gezahlt.
Welche Beweise sind wichtig, um Berufsunfähigkeit auszuschließen?
Nachweise über die Berufstätigkeit, ärztliche Atteste zur Arbeitsfähigkeit, medizinische Unterlagen neben Zeugenaussagen.
Praktische Tipps
- Lesen Sie die Satzung. Prüfen Sie die Regelungen Ihres Versorgungswerks. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kennt die Auslegung.
- Sammeln Sie Belege: Dokumentieren Sie Ihre Berufstätigkeit und holen Sie Atteste ein.
- Lassen Sie sich frühzeitig beraten: Bei Krankheit als auch Heiratswunsch informieren Sie sich rechtzeitig. Ein Anwalt kann hier helfen.
Das Urteil des VG Göttingen stärkt die Rechte von Hinterbliebenen: Wer trotz Erkrankung bis zum Tod arbeitet, sichert seinen Angehörigen die Witwenrente - VE-Klauseln greifen nicht. Entscheidend ist die tatsächliche Berufsausübung und die Definition der Berufsunfähigkeit in der Satzung des Versorgungswerks.
Ich bin seit 2009 als Rechtsanwalt im Themenbereich Berufsunfähigkeit/Versorgungswerke tätig. Ich habe schon vielen Ärzten, Tierärzten, Apothekern zudem Rechtsanwälten zur BU-Rente des Versorgungswerks verholfen.
Hintergrund: Krankheitsverlauf der Krebserkrankung im konkreten Fall
Der Kläger war im vorliegenden Fall schwer erkrankt, was dieses Zitat aus dem Urteil verdeutlicht:
"Im Juli 2022 war bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin ein kleinzelliges Lungenkarzinom im Stadium IV diagnostiziert worden, das bereits metastasierte und Leber sowie das Lymphsystem befallen hatte. Er durchlief zunächst eine Chemotherapie in Kombination mit einer Immuntherapie. Im Februar 2023 wurden mehrere Hirnmetastasen festgestellt, die mit einer Radiotherapie behandelt wurden. Nachdem im März 2023 festgestellt worden war, dass sich die Krebserkrankung in
der Leber deutlich verschlechtert hatte, begann er im April eine palliative Therapie. Herr Dr. G. blieb während der Zeit der Behandlung bis zu seinem Tod als Arzt an der H. A-Stadt (I.) tätig."
Quelle: VG Göttingen, Urteil vom 19. Mai 2025, Az.: 1 A 3/24, BeckRS 2025, 10395