
Kommentar zum Beschluss des Landessozialgerichts Baden- Württemberg vom 25.3.2025 (L3 SB 382/24)
Hinsichtlich einer Diabetes Erkrankung, aber sicherlich auch bei einer psychischen Erkrankung ist Wissen über die Erkrankung und Selbstmanagement besonders wichtig, um die Auswirkungen der Erkrankung möglichst gering zu halten. So die Theorie. Wissen und Selbstmanagement kommen in der Praxis aber auch oft an ihre Grenzen, was offenbar auch bei dem Kläger des hier zu besprechenden Rechtstreits der Fall war. Oder etwa doch nicht?
Welches Problem war hier zu lösen?
Im vorliegenden Fall ging es um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) eines Klägers, der an verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden litt. Der Kläger wollte eine Schwerbehinderung in Höhe eines GdB von 50 feststellen lassen.
Schwerpunkt der Entscheidung und auch dieser Besprechung sind die Auswirkungen einer Diabetes mellitus Typ 2 Erkrankung auf die Höhe des Grades der Behinderung sowie eines psychovegetativen Erschöpfungssyndroms auf die Höhe des Grades der Behinderung.
Die Diabetes mellitus Typ 2 Erkrankung bewertetet das Gericht mit einem Einzel-GdB von 40 das psychovegetative Erschöpfungssyndrom mit einem Einzel-GdB von 20 und kam insgesamt nach Bewertung aller Beeinträchtigungen auf eine Gesamt-GdB von 40!
Wie kann das sein? Was kann man dagegen tun?
Dafür müssen wir zunächst tiefer in den Fall einsteigen: Der Kläger beantragte die Feststellung seines GdB aufgrund einer Vielzahl von Erkrankungen, darunter Diabetes, Bluthochdruck, Allergien und psychische Probleme. Der Beklagte erkannte einen GdB von 40 an, was der Kläger als unzureichend ansah und dagegen rechtliche Schritte einleitete.
Entscheidung des LSG:
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte den von der Beklagten bereits festgestellten GdB von 40.
Die Entscheidung stützte sich auf bestehende rechtliche Rahmenbedingungen und die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine höhere Einstufung des GdB u.a. für die Diabetes-Erkrankung, die das Gericht als nicht erfüllt ansah. Auch das psychovegetativen Erschöpfungssyndrom bedinge keinen höheren Einzel-GdB als 20, der eine Anhebung auf einen GbB von 50 rechtfertige.
Gründe für die Entscheidung:
Das LSG stellte fest, dass keine gravierenden Einschnitte in der Lebensführung belegt werden könnten, die über die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen, welche einen GdB von 40 rechtfertigten, hinausgingen. Die Therapieaufwände, die der Kläger angab, wurden als normal im Rahmen seiner Erkrankung betrachtet, und besondere Einschnitte in der Lebensführung wurden als nicht ausreichend dokumentiert angesehen.
Folgen der Entscheidung:
Die Entscheidung hat zur Folge, dass der Kläger weiterhin nicht als schwerbehindert bei einem GdB von 40 gilt. Dies hat direkte Auswirkungen auf seine Ansprüche und Rechte im Schwerbehindertenrecht, was sich auf mögliche Sozialleistungen und Nachteilsausgleiche auswirken kann.
Das Fazit
Das LSG hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung beim GdB beim Diabetes nur unter strengen Voraussetzungen anerkannt wird und dass die Anforderungen an die Dokumentation und Nachweisführung bezüglich gravierender Einschränkungen hoch sind.
Die Entscheidung betont die Strenge und Genauigkeit bei der Einstufung von Behinderungen und soll sowohl Betroffenen als auch Behörden Klarheit darüber verschaffen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einen höheren Grad der Behinderung zu erhalten.
Wichtig ist, wie der Fall zeigt, dass die Beurteilung des GdB nicht nur auf ausgeprägten Beeinträchtigungen sondern auch auf einer fundierter Dokumentation dieser Beeinträchtigungen basiert und dass zusätzliche psychosoziale Aspekte bei der Bewertung des GdB wegen Diabetes berücksichtigt werden können, diese jedoch keine automatischen Ansprüche auf einen höheren GdB bedeuten.
Das heißt für Betroffene, dass sie rechtzeitig anfangen sollten, die Beeinträchtigungen durch Arztbesuche sowie diese zusätzlich (für den Diabetes beispielsweise in einem Diabetes-Tagebuch) selbst zu dokumentieren.
- Wie viele Spritzen Insulin (mindestens 4 Insulininjektionen sind als Mindestmaß für einen GdB von 50 erforderlich) bzw. wurden verordnet/gespritzt?
- Sind regelmäßige Arztbesuche wegen der Beeinträchtigungen dokumentiert?
- Was steht in der Behandlungsdokumentation?
- Wird der Blutzuckerspiegel gemessen und dokumentiert?
- Gibt es Arbeitsunfähigkeitszeiten und AU-Belege?
Dies gilt im übertragenen Sinne auch für psychosoziale und psychische Beeinträchtigungen. Insbesondere bei psychischen Beeinträchtigungen ist es besonders wichtig, sich auch behandeln zu lassen: Denn wer sich nicht behandeln lässt, bei demjenigen und derjenigen gehen Behörden, Versicherer und Gerichte schnell davon aus, dass der Leidensdruck und damit die Erkrankung ja nicht so schlimm sein können.
Hintergrund
Für Diejenigen, die noch etwas tiefer einsteigen möchte, um die Argumentation des LSG zu verstehen, will ich hier zunächst die vom Gericht auch zitierten „Normen“ aus der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV benennen und in diesem Zusammenhang dann auch die aus meiner Sicht wesentlichen Erwägungen des Gerichts zu Beurteilung des Diabetes sowie der geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen als Zitat wiedergeben.
Ferner benenne ich am Ende noch, welche Erkrankungen des Klägers sonst noch im Prozess angesprochen wurden, aber zu keiner weiteren Erhöhung des GdB führten.
Die Versorgungsmedizin-Verordnung, eine Rechtsverordnung, enthält in der Anlage die Grundsätze, nach denen begutachtet wird, wenn jemand die Feststellung einer Behinderung beantragt. Sie wird in der Rechtsprechung als "antizipiertes Sachverständigengutachten" angesehen.
VG, Teil B, Nr. 15.1 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) befasst sich mit der Beurteilung von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) im Rahmen der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Die Vorschrift regelt, wie die Auswirkungen der Erkrankung und der notwendigen Therapie auf die Teilhabe am Leben bewertet werden und somit der GdB ermittelt wird. VG, Teil B, Nr. 3.7 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) befasst sich mit der Beurteilung von Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen im Rahmen der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Die Vorschrift regelt, wie je nach Stärke und Auswirkungen der Erkrankung der GdB ermittelt wird.
Vorliegende Erkrankungen des Klägers
Der Kläger litt insgesamt unter den nachfolgenden Erkrankungen, zu denen ich vollständigkeitshalber die möglichen
ICD-10 Codes erwähne, wohlgemerkt die möglichen Diagnosen und nicht die tatsächlichen, da diese vom Gericht nicht genauer benannt werden:
- Diabetes mellitus Typ 2- ICD-10 E11
- Arterielle Hypertonie - ICD-10 I10
- Allergien - ICD-10 Z88 (je nach spezifischer Allergie können auch andere Codes zutreffen)
- Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom (eventuell ICD-10 F48.0 oder ICD-10 Z73.0, je nach Einordnung)
- Depression- bei einer mittelgradigen Depression wäre das ICD-10 F32.1 (oder ICD-10 F33, je nach Verlauf und Wiederholungsgrad)
- Chronisches Schulter-Arm-Syndrom - ICD-10 F32.1 M75.0 (M75.1 für spezifischere Formen, je nach Art)
- Adipositas Grad I - ICD-10 E66.0
- Carotisstenose - ICD-10 ICD-10 I65.2
- Wirbelsäulensyndrom - ICD-10 M54 (je nach spezifischem Wirbelsäulenleiden weitere Codes zutreffend)
- Meatusstenose nach Harnröhrenruptur - N35.1*
*Bitte beachten Sie, dass einige Diagnosen je nach klinischem Kontext spezifischer klassifiziert werden können. Es könnte Unterschiede in der genauen Kodierung geben, falls nicht alle Informationen im Urteil ausführlich dargelegt sind.
Detaillierte Informationen zum Urteil
Die Entscheidung ist abrufbar unter: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/177734
Wichtige Fragen und Antworten
Welches spezifische gesundheitliche Problem wurde im Antrag des Klägers erwähnt?
Der Kläger hat hauptsächlich Diabetes mellitus Typ 2 als gesundheitliches Problem angegeben, ergänzt durch andere Beschwerden wie Bluthochdruck, Allergien, psychische Probleme und weitere Erkrankungen.
Warum hielt der Kläger den festgestellten GdB von 40 für unzureichend?
Der Kläger betrachtete den GdB von 40 als unzureichend, da er der Meinung war, dass seine gesundheitlichen
Beschwerden höhere Einschränkungen verursachen, die eine stärkere Behinderung rechtfertigen würden.
Welche gesundheitlichen Beschwerden wurden bei dem Kläger festgestellt?
Die gesundheitlichen Beschwerden umfassten u.a, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Allergien, psychische Probleme (wie Depressionen, ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom und weitere körperliche Beschwerden.
Welche Rolle spielt die Versorgungsmedizin-Verordnung bei der Begutachtung von Anträgen zur Feststellung einer Behinderung, und welche Auswirkungen hat die Einstufung als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ auf den Entscheidungsprozess?
Die Versorgungsmedizin-Verordnung legt die grundlegenden Grundsätze und Verfahren fest, die genutzt werden, um die Feststellung einer Behinderung zu bewerten. Sie dienen als rechtliche Grundlage, die sicherstellt, dass Entscheidungen auf einheitlichen und transparenten Kriterien basieren. Als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ wird die Verordnung in der Rechtsprechung angesehen, was bedeutet, dass die dort definierten Grundsätze und Grundsätze im Wesentlichen als vorweggenommene wissenschaftliche Beurteilungen betrachtet werden.
Dies hat zur Folge, dass die Gutachter in ihren Bewertungen die Vorgaben der Verordnung konsequent berücksichtigen müssen. Dadurch wird der Entscheidungsprozess effizienter und rechtssicher, da der Gesetzgeber bereits die relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Behinderung notwendig sind.
Welche Rolle spielten die ärztlichen Unterlagen in der Entscheidung des LSG?
Die ärztlichen Unterlagen dienten als Grundlage für die Prüfung des Gesundheitszustands des Klägers und zeigten, dass keine gravierenden Einschnitte in der Lebensführung belegbar waren, die eine höhere Einstufung des GdB gerechtfertigt hätten.
Welche Kriterien mussten für eine höhere GdB-Einstufung nachgewiesen werden?
Für einen höheren GdB hätten gravierende Einschnitte in der Lebensführung sowie (außergewöhnliche) Therapieaufwände nachgewiesen werden, die über das normale Maß für die vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen.
Wie wirkt sich der festgestellte GdB von 40 auf die Ansprüche des Klägers aus?
Der festgestellte GdB von 40 beeinflusst die Ansprüche des Klägers auf Sozialleistungen und Nachteilsausgleiche, die mit einem höheren Grad der Behinderung verbunden sind. Er bleibt in seiner rechtlichen Einstufung mit einem GdB von 40
Was bedeutet die Entscheidung des LSG für zukünftige Anträge auf Feststellung des GdB?
Die Entscheidung des LSG verdeutlicht, dass zukünftige Anträge auf Feststellung des GdB strenge Dokumentations- und Nachweisanforderungen erfüllen müssen, um eine höhere Einstufung zu rechtfertigen.
Welche Bedeutung hat die Dokumentation im Rahmen der Feststellung des GdB?
Die Dokumentation ist entscheidend, um die gesundheitlichen Beeinträchtigungen genau nachzuweisen und zu belegen, dass die Voraussetzungen für einen bestimmten GdB erfüllt sind. Sie ist Grundlage für die Beurteilung durch die Behörden und der Gerichte.
Wie stellt die Entscheidung sicher, dass sowohl Betroffene als auch Behörden über die Voraussetzungen für einen höheren GdB informiert sind?
Das Urteil stellt durch die Klarstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die strengen Kriterien für die GdB-Einstufung sicher, dass sowohl Betroffene als auch Behörden über die Anforderungen informiert sind und eine einheitliche Handhabung gegeben ist.
Welche psychosozialen Aspekte wurden in der Beurteilung des GdB berücksichtigt?
In der Beurteilung wurden psychosoziale Aspekte in Bezug auf die seelischen und psychischen Probleme des Klägers berücksichtigt, jedoch wurde festgestellt, dass die Auswirkungen dieser Probleme auf die Lebensführung nicht zu einer höheren GdB-Einstufung führten.
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