
Nachzahlung durch die BU-Versicherung trotz anfänglicher Nicht-Mitwirkung des Versicherten?
Hintergrundwissen zum Urteil und Empfehlungen für BU-Versicherte
Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock hat genau so einen Fall entschieden. Das Gericht gibt versicherten Personen damit ein wichtiges Recht zurück.
Wer ist betroffen?
Es betrifft Menschen mit einer Berufsunfähigkeits-Versicherung. Ihre Versicherung hat die Zahlungen während einer Überprüfung gestoppt.
Worum geht es?
Sie bekommen rückwirkend Geld, auch wenn Sie bei der Prüfung zuerst nicht geholfen haben. Das gilt, wenn der Versicherer seine Vertragsbedingungen nicht an das Gesetz von 2008 angepasst hat.
Wann und wo wurde das entschieden?
Das Oberlandesgericht Rostock hat das im Jahr 2025 entschieden. Die Entscheidung ist wichtig für ältere Verträge und wenn die Versicherung etwas prüft.
Wie funktioniert das?
Sie helfen der Versicherung jetzt bei der Prüfung. Danach fordern Sie das Geld, das Ihnen zusteht.
Warum ist das wichtig?
Hat der Versicherer die Bedingungen nicht angepasst, darf er die Zahlung nur für kurze Zeit stoppen. So erhalten Sie Ihr BU-Rente und gewinnen Ihre finanzielle Sicherheit wieder.
Kurzüberblick zum BU-Urteil des OLG Rostock: Was ist passiert?
- Altvertrag mit BU-Zusatz (1999), Klausel: vorsätzliche/grobe Nicht-Mitwirkung führt zu Leistungsfreiheit – eine harte Sanktionsregel aus der Vor-VVG-2008-Welt.
- 12.11.2019: Der Versicherer fordert im Nachprüfungsverfahren eine Selbstauskunft. Versicherungsnehmer verweigert Mitwirkung.
- Ab Februar 2020: Zahlungen werden eingestellt.
- November 2022: Versicherungsnehmer holt die Mitwirkung nach; Ergebnis: die Berufsunfähigkeit bestand unverändert fort.
- Der Versicherer zahlt ab November 2022 wieder, verweigert aber die Nachzahlung für Februar 2020 bis Oktober 2022.
- OLG Rostock: Der BU-Versicherer muss zahlen. Denn ohne Anpassung an das VVG 2008 führt die frühere Nicht-Mitwirkung nur zu einem zeitweiligen Leistungsverweigerungsrecht – keine endgültige Leistungsfreiheit.
- Wichtig: Auch wenn eine frühere Klage als „derzeit unbegründet“ abgewiesen wurde, blockiert das die spätere Durchsetzung desselben Anspruchs nach Erfüllung der Mitwirkungspflichten nicht.
Die Kernaussagen der Entscheidung – einfach erklärt
- Wenn eine versicherte Person am Anfang nicht mit der BU-Versicherung zusammenarbeitet, erhält sie ihr Geld für die Berufsunfähigkeit trotzdem später.
- Das gilt, wenn die Person weiterhin berufsunfähig bleibt und einen alten Versicherungsvertrag hat. Bei alten Verträgen fehlen oft Anpassungen an ein "neues" Gesetz von 2008. Die Versicherung
kann die Zahlung deshalb nur vorübergehend stoppen.
- Auch wenn ein Gericht eine Zahlung zuerst als „derzeit unbegründet“ ablehnt, ist das keine endgültige Entscheidung. Reicht die Person die fehlenden Unterlagen später nach, prüft das Gericht
den Fall erneut. Dann kann die Person ihre Leistungen doch noch bekommen.
- Eine Versicherung verweigert die Zahlung nicht für immer, nur weil jemand nicht sofort alle Informationen gibt. Das wäre nur unter den strengen Regeln des neuen Gesetzes möglich. Diese Regeln
gelten aber für alte - nicht angepasste - Verträge nicht. Entscheidend für eine Nachzahlung ist daher: Die Person arbeitet später mit und beweist, dass sie weiterhin berufsunfähig
ist. Es ist fair, das zu fordern.
- Dann erhält die Person ihr Geld auch für die vergangene Zeit. Das überhaupt ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers besteht, sieht das OLG Rostock nach seiner Rechtsprechung so bei Vorsatz. Das kann man auch anders sehen (gar kein Leistungsverweigerungsrecht bei unterlassener Anpassung). Eine gänzlich unterlassene Mitwirkung ist aber zu risikohaft und daher nicht zu empfehlen! Deshalb hat der Versicherungsnehmer später hier auch mitgewirkt!
Was bedeutet das Urteil des OLG Rostock für BU-Versicherte in der Praxis?
Sie können Zahlungen nachfordern, die die Versicherung nicht geleistet hat. Das gilt, wenn Ihre Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU) in dieser Zeit noch gültig war und Ihr Vertrag nicht an das neue Gesetz von 2008 angepasst wurde.
Haben Sie einen Prozess verloren, weil das Gericht Ihre Klage als „derzeit unbegründet“ bezeichnete? Das ist nicht das Ende Ihres Anspruchs. Sobald Sie die nötigen Informationen nachreichen, lebt Ihr Anspruch wieder auf. Die Versicherung muss die Zahlungen dann nachholen, falls Ihre BU-Versicherung und natürlich Ihre Berufsunfähigkeit noch bestand.
Rechtlicher Hintergrund kompakt
- Ihre Pflicht zur Mithilfe: Die Versicherung prüft regelmäßig, ob Sie weiterhin berufsunfähig sind. Sie müssen dabei helfen, zum Beispiel Fragen beantworten oder Unterlagen schicken. Wenn Sie
das nicht tun, kann das Nachteile für Sie haben. Gerade in alten Verträgen stand oft, dass die Versicherung gar nichts mehr zahlen muss, wenn Sie absichtlich nicht mithelfen.
- Das "neue" Gesetz von 2008: Ein Gesetz von 2008 schützt Sie besser. Die Versicherung darf die Zahlungen nicht mehr einfach komplett stoppen, nur weil Sie Informationen nicht sofort liefern. Sie muss Sie vorher klar auf die Folgen hinweisen. Nur bei besonderen Gründen darf die Versicherung die Zahlung für immer einstellen. Das gilt aber nur, wenn Ihr Vertrag an dieses neue Gesetz angepasst wurde.
- Anpassung alter Verträge: Hat die Versicherung Ihren alten Vertrag von vor 2008 nicht angepasst? Dann darf sie die Zahlungen nur vorübergehend stoppen, aber nicht für immer.
- Das Prinzip der Fairness (Treu und Glauben, § 242 BGB): Es ist nicht unfair, wenn Sie Ihr Geld nachträglich fordern. Dafür müssen Sie nur Ihre Mithilfe nachholen und die nötigen Informationen
liefern. Die BU-Versicherung konnte sich hier daher nicht auf Verwirkung berufen.
- Ein Gerichtsurteil ist nicht immer ein endgültiges Aus: Weist ein Gericht Ihre Klage als „derzeit unbegründet“ ab, ist das keine endgültige Niederlage. Sie können Ihren Anspruch später doch noch durchsetzen. Dafür müssen Sie die fehlenden Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel die geforderten Unterlagen einreichen.
Schritt-für-Schritt: So gehen Sie jetzt vor
- Prüfen Sie Ihren Vertrag: Ist Ihr Vertrag von vor 2008? Sehen Sie nach, ob es darin strenge Regeln für den Fall gibt, dass Sie Informationen nicht weitergeben. Prüfen Sie auch, ob die
Versicherung diese Regeln nach 2008 geändert hat. Wenn nicht, dann musste die Versicherung Ihnen die Berufsunfähigkeitsrente eventuell nur vorübergehend nicht zahlen.
- Beweisen Sie Ihre Berufsunfähigkeit: Sammeln Sie alle wichtigen Dokumente aus der Zeit, in der die Versicherung nicht gezahlt hat. Das sind zum Beispiel Berichte von Ärzten, Befunde oder
Unterlagen von Therapien. Damit zeigen Sie, dass Sie in dieser Zeit weiterhin berufsunfähig waren.
- Geben Sie die Informationen und fordern Sie Ihr Geld: Geben Sie der Versicherung jetzt alle fehlenden Informationen. Fordern Sie danach schriftlich das Geld für die Zeit, in der Sie
nichts bekommen haben. Begründen Sie, warum die Versicherung die Zahlung nur vorübergehend stoppen durfte.
- Versuchen Sie es erneut: Gab es bereits ein Gerichtsurteil? Und hat das Gericht Ihre Klage nur als „derzeit unbegründet“ abgelehnt? Das bedeutet oft, dass nur Informationen fehlten. Wenn
Sie jetzt alle Informationen nachreichen, können Sie einen neuen Versuch starten. Ihre Chancen sind dann besser.
- Beachten Sie Fristen und Zinsen: Handeln Sie falls notwendig schnell, damit Ihre Ansprüche nicht verjähren. Das bedeutet, dass Sie Ihr Geld nach einer bestimmten Zeit nicht mehr fordern können. Verlangen Sie auch Zinsen für die verspätete Zahlung. Überlegen Sie sich, ob eine Klage oder ein anderer Weg für Sie der richtige ist.
Weitere Gerichtsurteile, die Ihnen helfen
- Prüfung und Mitteilung über das Ende der Zahlungen: Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 18.12.2019 - IV ZR 65/19). hat entschieden: Eine BU-Versicherung muss Ihnen immer
schriftlich mitteilen, wenn sie ihre Zahlungen beendet. Das gilt auch, wenn Ihre Berufsunfähigkeit vorher nicht förmlich anerkannt hat, dies aber hätte tun müssen. Das macht es für
Versicherungen schwieriger, Zahlungen einfach einzustellen.
- Keine Begrenzung von Zahlungen für die Vergangenheit: Der Bundesgerichtshof ((BGH, Urteil vom 23.02.2022 – IV ZR 101/20) hat auch bestimmt: Eine BU-Versicherung darf Zahlungen
nicht nachträglich für einen vergangenen Zeitraum begrenzen. Sie kann also nicht später sagen, dass sie für eine bestimmte Zeit in der Vergangenheit eigentlich weniger zahlen wollte.
Das schützt Sie davor, dass die Versicherung Ihre Leistungen im Nachhinein kürzt.
- Pflicht zur Weiterzahlung ohne Mitteilung: Auch andere hohe Gerichte haben geurteilt: Wenn die BU-Versicherung Ihnen das Ende der Zahlungen nicht richtig mitteilt, muss sie weiterzahlen. Das gilt manchmal sogar, wenn Ihre Berufsunfähigkeit schon vorbei ist.
Diese Urteile stärken die Rechte von Versicherten. Wenn eine Versicherung formale Fehler macht oder veraltete Vertragsregeln verwendet, ist das oft ein Vorteil für Sie. Das ist besonders wichtig, wenn Ihre Berufsunfähigkeit weiter andauert.
Konkrete Handlungstipps vom Anwalt
- Dokumentieren Sie lückenlos jede Krankschreibung, jedes Gutachten, jeden Praxisbericht. Das beweist die Fortdauer der BU.
- Fordern Sie die Rückstände schriftlich nach – mit Fristsetzung. Begründen Sie, dass nur ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht bestehen konnte.
- Lassen Sie Altbedingungen prüfen: Ohne Anpassung an das VVG 2008 gelten andere (mildere) Rechtsfolgen.
- Reagieren Sie strategisch auf Vorprozesse: „Derzeit unbegründet“ ist eine Chance, nicht das Ende.
- Argumentieren Sie mit dem BGH: Kein rückwirkend befristetes Anerkenntnis, strenge Anforderungen an Einstellungsmitteilungen – das stärkt Ihre Position.
Fazit
Wer ist betroffen?
Sie als Versicherte mit BU-Police.
Um was ging es?
Rückzahlung trotz früherer Nicht-Mitwirkung.
Wo wurde dies entschieden?
Leitentscheidung aus Rostock.
Wann wurde dies wichtig?
Nach Nachholung der Mitwirkung.
Wie wurde das erreicht?
Durch hartnäckige Rechtsverfolgung.
Warum wurde dies erreicht?
Weil ohne VVG-2008-Anpassung nur temporäre Leistungsfreiheit greift.
Wozu ist das wichtig?
Um finanzielle Lücken zu schließen und Ihre Rechte voll durchzusetzen. Das OLG Rostock stärkt Sie dabei – nutzen Sie diesen Rückenwind.
Quelle: der Volltext der Entscheidung OLG Rostock (4. Zivilsenat), Beschluss vom 13.10.2025 – 4 U 61/25 ist abrufbar bei beck-online unter BeckRS 2025, 27641
Haben Sie Fragen zum Artikel, oder benötigen Sie Unterstützung in Ihrem Fall?
Dann kontaktieren Sie mich gerne unter 040/41910248!
Was zeichnet Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels aus
- Schwerpunkt auf Berufsunfähigkeits- und Versicherungsrecht seit 2009.
- Erfolgreiche Hilfe in schwierigen Fällen, wenn die Versicherung Zahlungen erneut prüft.
- Erfahrung mit allen Schritten vor Gericht, von der Klage bis zur Auszahlung.
- Verständliche Erklärungen und eine starke Argumentation vor Gericht.
FAQ
Ja, Sie bekommen die BU-Rente trotz zeitweiser fehlender Mitarbeit, wenn die Berufsunfähigkeit in dieser Zeit weiter bestand und der Versicherungsvertrag keine neueren Regeln enthält. In diesem Fall stoppte die Versicherung die Zahlung nur vorübergehend und muss die Rente nachzahlen.
Nein. Das der erste Prozess als derzeit unbegründet verloren ging, sperrt eine spätere Durchsetzung desselben Anspruchs nach Nachholung der Mitwirkung grundsätzlich nicht. Aber auf Verjährung achten!
Wenn der BU-Versicherer § 28 VVG korrekt in seinen Bedingungen umgesetzt hat, kann er unter strengen Voraussetzungen endgültig leistungsfrei sein (z. B. bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung und ordnungsgemäßer Belehrung). Das ist eine Einzelfallprüfung.
Unbedingt müssen Sie auf formelle Inhalte im Schreiben des Versicherers achten, wenn dieser die Leistung einstellen will. Die ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung ist ein Dreh- und Angelpunkt. Fehler hier gehen oft zulasten des BU-Versicherers.
In dieser Konstellation greift Verwirkung in der Regel nicht. Es ist nicht treuwidrig, nach Mitwirkung rückständige Leistungen zu verlangen. Dem Versicherer hätte es freigestanden, seine Bedingungen ordnungsgemäß an das VVG 2008 anzupassen. Hier konnte sich die Berufsunfähigkeitsversicherung also nicht auf Verwirkung berufen
